Vorwort Vor funfzehn Jahren machte es mir Freude, die folgende einfacheGeschichte niederzuschreiben. Sie sollte nur die Einfassung mehrererschöner altdeutschen Erzählungen sein, die sie mit mancherleiEreignissen aus dem Zusammenleben des alten Ritters Veltlin vonTürlingen und seiner drei Töchter unterbricht, mit deren Versorgungund der Abreise des Erzählers sie schließt. So lieb ich das Gedichthatte, blieb es doch unterbrochen; der Sinn der Leser schien dazu zufehlen. Jetzt, da diese Erzählung mehr, ja selbst die altdeutschenRöcke vor sich hat, fiel sie mir wieder in die Hände, und ichversuche es, sie den Lesern vorzulegen mit der Erinnerung, daß sie zupädagogischen Zwecken entworfen worden, als ich von der sogenanntenRomantik noch wenig wußte, und daß sie daher neben den allerneuestenRitterromandichtern in ihrer redseligen Einfalt um Schonung bittet.Sollte dem Leser, durch Eisenfresserei und Isländisches Moos verwöhnt,diese Geschichte wie unsre deutsche Kamillen–und Hollunderblütenicht behagen, so bringe er sie einem kranken Freunde oder Mägdelein,denen sie Gott gesegnen möge! Im Jahr, da man zählte nach Christi, unsers lieben Herrn, Geburt 1358,am zwanzigsten Tage des Maimonats, hörte ich, Johannes, derSchreiber, die Schwalbe in der Frühe an meinem Kammerfenster singenund ward innigst von dem Morgenlied des frommen Vögeleins erbauet,bedachte auch auf meinem Bettlein, wie die Schwalbe in daurenderFreude lebet, gegen den Winter in ferne wärmere Länder ziehet und,der Heimat getreu, gegen den Frühling wiederkehrt; also nicht derMensch, der arme fahrende Schüler, der wohl viel gegen Sturm undWetter ziehen muß, ja der oft kein Feuer findet, die erstarrten Händezu erwärmen, daß er sie falte zum Gebet; aber so er es ernstlichmeinet, haucht er hinein. Da ich in solchen Betrachtungen versunken war und das Schwälbleinauch auf seine Weise fortphantasierte, wäre ich schier wiedereingeschlummert, aber der Wächter auf dem Münster blies: “In süßenFreuden geht die Zeit”, welches ich hier noch nie gehöret; denn ichwar zum ersten Male in Straßburg erwacht. Nun richtete ich mich in meinem Bettlein auf, und schaute in meinemGemache umher; das hatte aber Fenster rings herum und war in einemSommerhäuslein des Gartens. Links stand der Mond noch blaß am Himmel,und rechts war der Himmel wie das lauterste Gold. Da fand ich michzwischen Nacht und Tag und faltete die Hände, und es fiel mir freudigaufs Herz, daß heute mein zwanzigster Geburtstag sei, und wie mir esviel besser geworden als in dem letzten Jahre, da ich meinen liebenGeburtstag auf freiem Felde in einem zerrissenen Mäntelein empfangenund mit einem Bissen Almosenbrot bewirten mußte. O Freude und Ehre!dachte ich bei mir selbst und schaute zum Morgenlichte hin und sprach:“Du bist mein Licht, du wirst mein Tag!”, glaubte auch schier inmeiner Einfalt, der Himmel sei golden um meines Besten willen, dieSchwalbe habe nur gesungen, mir Glück zu wünschen, und der Türmerhabe allein so lieblich geblasen mir zur Feier; da der Himmel sichdoch nur gerötet vor der Sonne, die der Herr gerufen, da die Schwalbedoch nur gesungen in Gottes Frühlingslust, und der Wächter nurgeblasen zu Gottes Ehren, ja wohl gern noch ein Stündlein geschlafenhätte, so es ihm von den Münsterherren verstattet wäre. Also wirdder Mensch leicht übermütig in der Freude, und glaubet, er sei rechtder Mittelpunkt aller Dinge, und sei er mit allem gemeint. Da ließich die Augen fröhlich in der Kammer umherschweifen, und sah auf demSchemel ein neues Gewand liegen, das mir mein gütiger Herr und RitterVeltlin von Türlingen am Abend im Dunkeln hatte herauftragen lassen,und konnte ich meine Begierde nun nicht länger zurückhalten, sprangauf von meinem Lager, und legte diese Kleider nicht ohne Tränen desDankes an. Es war dies aber ein feines blaues Wams, um die Lendengefaltet und gestutzet, und rot und weißes Beinkleid von ländschemTuch, auch stumpfe Schuh und eine schwarze Kogel mit einer blauenFeder, nicht zu vergessen ein Hemmet von weißem Hauslinnen, am Halsebunt genäht und gekrauset, dergleichen ich vorher nie getragen. Daward es mir fast leicht und fröhlich zumute, und hätte ich wohl mögeneinen Sprung tun, als hätte ich einen neuen Menschen angezogen mitdem neuen Kleide. Aber meine Hoffart währte nicht lange; denn mein zerrissenesMäntelein, welches ich als einen Vorhang vor das Fenster gehängthatte, erleuchtete sich durch die aufgehende Sonne, und alle seineLöcher waren so viele Mäuler und alle seine Fetzen so viele Zungen,die mich meiner törichten Hoffart zeihten. Es war, als sage dasMäntelein zu mir: “O Johannes, bist du ein so eitler Kaufherr, daß du,angelanget in den Hafen, des zerrissenen Segels vergißt, das dich indenselben geführet? Johannes, bist du ein so stolzer Schiffbrüchiger,daß du das Brett, welches dich mit Gottes Hülfe an ein grünes Eilandgetragen, mit dem Fuße undankbar in die Wellen zurückstößest? OJohannes, du undankbarer Freund, willst du, gerettet, mich nicht aufdeinen Schultern in ein Gotteshaus tragen und aufstellen als einGedächtnis, daß sich Gott deiner erbarmet?” Ach, das waren wohl harte und wahre Worte meines Mänteleins, und ichnahm es mit Schämen von dem Fenster, und legte es um über meinenneuen Staat, und faßte es fest mit den Händen um die Brust, alswollte ich es um Verzeihung bitten, und ging mit dem Gedanken dieTreppe hinab in den Garten: Wenn ich ein armer fahrender Schülergewesen bin, so werde ich immer ein armer fahrender Schüler bleiben;denn auf Erden sind wir alle arm und müssen mannigfach mit unsermLeben herumwandeln, und lernen, und bleiben doch arme Schüler, bisder Herr sich unser erbarmet, und uns einführet durch seinen bitternTod in das ewige Leben. Da ich nun in den Garten gekommen war, den ich vorher auch noch nichtgesehen–denn mein gnädiger Herr und Ritter war den Abend spät mitmir angekommen und ich im Finstern in mein Stüblein gebracht worden–,konnte ich vor Staunen und Betrachten der neuen Dinge um mich herauch nicht zum Gebete kommen. Ich fand mich von den schönenLaubgängen, Zierfeldern und Pflanzen und den blühenden Bäumen schierebenso sehr überraschet als von meinem neuen Gewande. Ich fand michgleich einem neugebornen Kinde, welches mit allem spielet, und nochnicht beten kann, und erst nach einiger Erfahrung in der Süßigkeitdes Lebens seine Hände zum Danke falten lernet. Der blühende Mal,das lustige Singen der Vögel, die vielen jungen Kräuter und Blümlein,die mit Taublicken vor der Sonne erwachten, der kühle Wasserstrahl,welcher in einem mit bunten Kieseln und Muscheln ausgelegten Brunnentanzte, schienen mir alle so neu und wunderbar, als hätte ichdergleichen niemals gesehen, und wußte ich auch nicht, was aus allemdiesem werden sollte. So wie die lieben Kinder durch die Blumen gehen und sie brechen, undKränze winden und sich bei den Händen fassen und mit den Kränzen imKreise tanzen, gleichsam selbst ein lebendiger Blumenkranz; wie sieaber nicht gedenken der Frucht im treibenden Sommer, und der Ernte imreichen Herbst, und des Todes in dem trüben, tiefsinnigen Winter:also wandelte auch ich armer Schelm wie ein einfältiges Kind ohneWitz durch den Garten und konnte vor großer Bewegung über mein neuesGlück, das mir gestern früh noch nicht geträumt hatte, nicht zumGebete gelangen. Mein freudiges Erstaunen wollte aber nicht lange dauern; denn als ichmeine Augen ersättiget hatte, ward es mir als einem Hungrigen, dersich ohne Gebet zu einer reichlichen Mahlzeit gesetzet hat, welcheihm Gott darum nicht gesegnet. Alle das häusliche, wohlgepflegteBehagen des schönen Ziergartens erfüllte mich mit traurigen Gedanken,und die Armut, die Einsamkeit meines eigenen Lebens trat mir indieser reichen Umgebung zum erstenmal recht lebendig vor die Seele.Was mag trauriger sein als das Bild eines Bettlers, auf goldnemGrunde gemalet? “O meine Mutter”, sagte ich mir, “wer war sanfter und schöner, undfeiner und edler als du, wer war würdiger, zwischen Blumen zu wandeln,als du, die wohl ihre Schwester und Gespielin sein konnte? Standendie Tränlein nicht auf den Wangen wie die Tautröpflein auf diesenRosen, gingst du nicht durch den Wald wie ein Lüftlein durch dieBlüten, und waren deine Augen nicht getreu und süß schauend wie dieblauen Veilchen, deine Lippen nicht wie die rosinfarbenen Nelken, undflog dein gelbes Haar nicht wie der Sonnenschein? Aber du mußtestgehen wie Hagar mit deinem Ismael durch die Dornen in der Wüste. Ach,warum ward nicht dir so ein Garten und so ein Haus, und warumwohnest du zwischen fünf Brettern und zwei Brettlein und bist deinesLebens nicht froh geworden noch deines Todes? Sie haben dir keinenKranz geflochten. Mir aber ist nichts geblieben als deine Zucht, undich kann dein nicht gedenken in Freuden, denn mir gehöret nichts alsdie Armut, und ich habe keinen Säckel, aus dem ich dir das schönsteGrab könnte erbauen lassen von Marmelstein und Gold.” Wie traurig ward ich da und wendete meine Augen von allem, was ihnenwohlgefiel, und wollte nichts anschauen, weil sie es nicht mit mirsehen konnte, weil sie ihre Augen nie mit so erlaubter Lust erquickenkonnte. Auch fiel es mir bittrer noch auf die Seele, daß ich einesRitters Sohn sei, ohne Wappen und ohne Waffen. Tränen füllten mirdie Augen, und Unwill erfüllte meinen ganzen Leib, der in dem neuengeschenkten Gewand zu brennen schien, und ich spannte mein enges,durchlöchertes Mäntelein so um mich, daß es noch mehr zerrissen. So schritt ich, als suche ich die Wildnis, nach einem einsamemungepflegten Teile des Gartens, und kaum stand ich im hohen Grasunter hohen Linden, so konnte ich schon nicht mehr begreifen, wiedieser innre Schmerz und Zorn in mich zum ersten Male in meinem Lebengekommen sei, und gegen die Mauer des Gartens schreitend, sah ich anderselben in einem tiefen Bogenraum ein Heiligenhäuslein angebracht,darinnen war wohlvergittert ein buntgemaltes Schnitzwerk, dieAnbetung der heiligen drei Könige im Stall zu Bethlehem, aufgestellt.Davor kniete ich nieder ins Gras und betete von ganzem Herzen. Dazerrann bald all mein Leid und meine Hoffart vor dem Sohne Gottes,der nackt und arm in einer Krippe vor mir lag, und dem doch dieKönige dienten. Wie fühlte ich mich in meiner Ungebärdigkeitbeschämt! Und da ich mich mit Tränen angeklagt hatte, dankte ich vonganzem Herzen dem Herrn, daß er mich armen fahrenden Schüler nichtvergessen, und mich durch seine Barmherzigkeit zu meinem gnädigenHerrn und Ritter gebracht, gelobte auch, ferner mich aller Hoffart zuenthalten und die Künste, welche ich durch seinen Beistand mitschwachen Sinnen erlernet, zur Mehrung seines Reiches auf Erden treuanzuwenden. Da ich nun nach solchem Gebete einen merklichen Trost in meinemHerzen spürte, nahm ich ein gülden gewirktes Band, worauf das AveMaria stand, aus meinem Gebetbüchlein, und hängte es, durch dasGitter langend, dem Bilde der Jungfrau Maria über den Arm, als dasOpfer eines törichten Menschen, der vor ihrem Sohne betend Trostgefunden hatte. Dieses Band aber war mir das Liebste, was ich hatte.Eine fromme Klosterfrau, meiner selgen Mutter Befreundte, hatte esmir einst für ein Lied, das ich ihr gedichtet und gesungen,geschenket, und war es zu Marburg an St. Elisabethen Grab angerühretworden; ich aber hatte es bisher als einen Blattzeiger in meinemGebetbüchlein geführet. Dann nahm ich auch mein Mäntelein ab, undrollte es zusammen in einen langen Wulst und flocht es durch dieobern Stäbe des Gitters vor dem Bilde, als einen aufgerollten Vorhang,zum Gedenken meiner zeitlichen Armut, welche durch Gott sich inFreud und Fülle gewandelt hatte. Nun wendete ich mich nach demGarten zurück, der mir ganz anders erschien als vorher. So mag nichts vor dem Gemüte des Menschen bestehen, welches allesnach sich umgestaltet. Jetzt, da ich gebetet hatte, erschienen miralle die roten, leibfarben und weißen Blümlein des Gartens jeneBlumen, durch die der König Ahasverus in seinem Schloßgarten zu Süsangewandelt, seines Zornes zu vergessen. Ja, es war mir, als sei derliebe Gott durch diese Blumen gegangen und habe seinen gerechten Zornüber meine Ungebärde hier an der Lieblichkeit seiner Werkegesänftiget; denn hier an diesem ersten Morgen meines zwanzigstenJahres ist mir vieles Licht in der Seele aufgegangen, und ist mir derFrühling ein weiser Lehrer geworden. Besonders aber hat mich der hohe Münsterturm erschüttert, als ich auseinem schattichten Baumgang hervortrat und ihn über die Dächer derNachbarhäuser auf mich niederschauen sah. War mir es doch im Anfangso bange vor ihm, wie es einer Grasmücke sein muß, wenn ein Riese denBusch über ihrem Neste öffnet und auf sie niederblickt. AllesMenschenwerk, so es die gewöhnlichen Grenzen an Größe oder Vollendungüberschreitet, hat etwas Erschreckendes an sich, und man muß langedabei verweilen, ehe man es mit Ruhe und Trost genießen kann. Ich habe dieses aber nicht allein bei dem Anblick diesesschwindelhohen Turmes empfunden, sondern auch bei gar lieblichen undfeinen Werken, von welchen ich nur nennen will die überaus feinen undnatürlichen Gemälde des Malers Wilhelm in Köln, der von den Meisternals der beste Meister in allen deutschen Landen geachtet wird, denner malet einen jeglichen Menschen von aller Gestalt, als lebe er.Die Werke dieses Wilhelms aber, die ich zu Köln gesehen, sinddermaßen zart, fein, scharf und lebendig, daß man schier glaubensollte, sie seien von Händen der Engel gemacht, und erbebet man beiihrem Anblick, weil sie zu leben scheinen und doch nicht leben. Manfühlet da wohl, daß der Mensch etwas sein und schaffen kann, was vielherrlicher ist als sein gewöhnliches Sein und Schaffen, und manerschrickt darüber, daß diese Herrlichkeit so fremd und selten ist;daher wohl eine Menge Sprossen auf der Leiter zu dieserVollkommenheit wo nicht fehlen, doch unsichtbar sein müssen und wiralle wohl tief herunter geworfen sind. Die gewaltige Künstlichkeit des wunderwürdigen Münsterturms hättemich beinahe wieder niedergeschlagen; denn ich bedachte mitVerwunderung, wie ich doch unter den hohen Eichen, in finsternWäldern, auf hohen Bergen, an steilen Abgründen und bei stürzendenWasserfällen in einsamen Tälern recht in Einöde, ja ganz verlassen,auch wohl gar hungrig gesessen und mich doch nicht so bewegt gefühltals bei dem Anblick dieses Turmes. Wenn ich die Blätter und Zweigeder Bäume betrachte, so frage ich nicht, wie sie da hinauf gekommen,und erschrecke nicht, wenn sie sich hin und her bewegen mit Rauschen;aber wenn ich diesen wunderbaren Turm anschaue mit seinen vielenTürmlein, Säulen und Schnörkeln, die immer auseinander heraustreibenund durchsichtig sind wie das Gerippe eines Blattes, dann scheint ermir der Traum eines tiefsinnigen Werkmeisters, vor dem er wohl selbsterschrecken würde, wenn er erwachte und ihn so fertig vor sich in denHimmel ragen sähe; es sei denn, daß er auf sein Antlitz niederfieleund ausriefe: “Herr, dies Werk ist nicht von mir in seinerVollkommenheit, du hast dich nur meiner Hände bedienet, mein istnichts daran als die Mängel, diese aber decke zu mit dem Manteldeiner Liebe, und lasse sie verschwinden im Geheimnis deiner Maße.”Keiner aber hat dieses wohl erlebet, keiner hat einem solchen Werkeseiner Erfindung die Krone aufgesetzet, ganze Geschlechter sind vonden Baugerüsten herabgestiegen und haben sich zu Ruhe in die Gräberzu den Füßen des Turmes gelegt, der nichts davon weiß, und dastehternst und steinern, der kein Herz und keinen Verstand hat, jaeigentlich ein recht unvernünftiger Turm ist, und doch dasteht, alswäre er aus sich selbst hervorgewachsen und brauche es keinemMenschen zu danken. Dieser gewaltige Ausdruck der Erhabenheit aberin einem solchen Werke, an welchem die Weisheit und Mühe und Andachtvon Jahrhunderten an unendlichen Linien des Gesetzes, desVerhältnisses, der Not und der Zier mit halsbrechender Kühnheithinangeklommen, um auf dem Gipfel dem Herrn zu lobsingen, verbundenmit seinem eigentlichen inneren Tode, so daß er, der alles durch seinDasein im tiefsten Herzen rühret, doch gar nichts davon mitempfindet,das ist es, was seinem Anblick und der Erscheinung aller gewaltigenMenschenwerke einen Schrecken beimischet. Es ist, als frage er: Wasbin ich, und warum bin ich, und was ist es, das dich also rühret inmir? Was können wir ihm aber anderes antworten als: Die Werke desHerrn sind unbegreiflich, er treibt uns, zu bauen und schaffen überdas Leben hinaus, denn wir waren unsterblich und vollkommen, und wirsind gefallen in den Tod durch die Sünde; du Turm aber stehe, als einZeuge, daß wir dunkel fühlen, was wir waren vor dieser Zeit, und daßwir noch ringen nach unendlichem Ziel; so stehe du dann als einTräger unsrer Mühe und unsrer Buße zu Ehren unsres Heilands undSeligmachers Jesu Christi, der uns erlöset hat durch sein bittresLeiden und Sterben. Amen. Also gedachte ich in mir, und wenngleich umgeben von lebenden Bäumenund Blumen, in welchen, wie selbst in den harten Felsen, eine Seelezu wohnen scheint, welche mit dem Menschen atmet und fühlet, imFrühling sich mit ihm freuet, und im Winter mit ihm trauert, konnteich doch meine Augen nicht von dem Turme wenden. Der Sinn desMenschen strebet immer nach dem Unbegreiflichen, als sei dort dasZiel der Laufbahn und der Schlüssel des Himmels; denn bewundern kannder Mensch allein, und alles Bewunderung Erregende ist ein BoteGottes, der uns mahnet an das Licht, das wir verloren, und das unswieder verheißen ist durch das Blut Christi, so wir uns dessenteilhaftig machen. Also ist mir auch immer alle meine Drangsalerschienen als eine Sehnsucht nach einem bessern Leben, und allemeine bittern Stunden waren nur die kalten, stürmenden Tage desWinters, denen der liebliche Frühling, angekleidet mit Blumen undGesang, folget, so ich säe guten Samen und fülle meine Seele mit demLobe Gottes. In solchen Betrachtungen wollte ich wieder nach dem Sommerhäusleingehn, sah aber meinen gnädigen Herrn und Ritter gar tiefsinnig mitgefalteten Händen unter einem Baume im Sonnenschein sitzen, undtraute nicht, ihm vorüberzugehen, damit ich ihn nicht störe. Ichstellte mich darum in seiner Nähe bescheidentlich an die Laubwand,und nahm mein Barett in die Hände, erwartend, ob er seine Augenvielleicht nach mir wenden möge. Der Anblick meines Herrn erweckte eine große Ehrfurcht in mir. Ichhatte ihn gestern nicht recht gesehen, denn es dunkelte schon, da ermich am Wege barmherzig zu sich nahm. Er hatte ein schneeweißes Haaram Haupt und Bart, und mochten wohl viele Sorgen über ihn hingeflogensein. Ich erinnerte mich, nie einen so frommen alten Ritter gesehenzu haben, der mit seinem ernsten und milden Antlitz ein solchesVertrauen in mein Herz senkte. Gott gebe, daß ich also in Ehren grauwerden möge! dachte ich bei mir und fühlte mich mit ganzer Seele zudem lieben Herrn hingezogen. Er aber schien sehr betrübt zu sein,seufzte auch oft und tief, und die kleinen Vöglein, die über ihm indem Baume so lustig sangen, konnten ihn nicht trösten. Da ich so eine Weile nach ihm hingesehen hatte, wendete er die Augenzufällig zu dem Orte, an dem ich stand, und redete mich freundlich anmit den Worten: “Wie ist dir, Johannes, daß du so stille dastehest?”Worauf ich ihm entgegnete: “Ich wollte Eure Ruhe nicht stören, Herr;Ihr scheinet mir in schweren Gedanken.” Der Ritter aber sprach hierauf: “Johannes, wie gefällt dir deine neueHeimat; bist du zufrieden bei mir?” Da sagte ich: “Herr, sollte ich nicht froh sein? Da ich nun weiß, woschlafen und wo Brot finden und wem dienen um des Herren willen, daweiß ich nun auch, wen lieben, wem danken außer Gott, und für wenbeten außer für mich. Herr, meine neue Heimat gefällt mir wohl; Gottgebe, daß ich auch ihr wohlgefalle, und ihrer würdig werde.” Dalächelte der Ritter und sprach: “Johannes, wenn dir deine Worte ernstsind, so werden wir gute Gesellen sein, denn deine Rede gefällt mirwohl. Aber was willst du tun, mir wohlzugefallen; was willst du mirgeben, da du nichts hast?” Hierauf erwiderte ich: “Herr, ich bleibe Euer Schuldner vor der Welt,denn ich kann Euch kein Wams geben für das Wams, das ich durch EureGnade trage; aber vor Gott gebe ich Euch einen guten Zahlmann, dennvor ihm schenke ich Euch mein Herz.” Da versetzte der Ritter scherzhaft: “Wenn ich dir nun auch mein Herzgeben wollte für das deinige, so behielt ich doch das Wams zugute;wie dann, Johannes?” Worauf ich entgegnete: “Herr, Ihr rechnet so gestreng, als wolltetIhr mich versuchen in Gegenrechnung, und so muß ich dann schon sagen,daß mein Herz gewiß nicht Wert hat gegen das Eure, welches geprüfetist durch lange Jahre, da das meinige arm ist und ohne Verdienst, jada ihm alles Gute, was es gewollt hat, nicht zugute kömmt, da eskeinen Wert hat, den es Euch mit sich geben kann, weil der Glaube andie Barmherzigkeit des Heilands nicht mit dem Herzen geschenkt werdenkann und dieser Glaube allein doch ein Herz zu beseligen und selig zumachen vermag. So nehmt es denn hin, wie es ist, und füget hinzu,was man nicht mitgeben kann. Doch habe ich noch eine Gabe, deren ichEuch genießen lassen will, und die Ihr mir nicht so leicht einholensollet; denn sie ist rasch und fliehet davon, auch werdet Ihr sie mitallem Ernste nicht leicht verdrängen mögen; denn sie ist lieblich undlustig anzuschauen, und könnte ich sie Euch wirklich zu eigen geben,so würdet Ihr sie nicht gerne wieder lassen, eine also gute Gesellinist sie.” Mein Herr, der sehr ernst geworden war, sagte hierauf, traurig vorsich niederschauend: “Und was ist das vor ein Kleinod, Johannes, mitdem du so prahlest?” Da erwiderte ich: “Herr, es ist meine Jugend; deren will ich Euchgenießen lassen, wie ich kann. Damit Ihr Euer Alter vergesset beimir, will ich Euch erfreuen mit mancherlei fröhlichen Reden undGedanken.” Aber was ich da zuletzt gesprochen hatte, war wohl töricht und einschlechter Anfang meiner versprochenen erfreulichen Reden; denn meingnädiger Herr ward nun sehr stille und finster. Weil ich ihn an seinAlter erinnert hatte, glaubte ich. Da redete ich ihn schüchtern an:“Herr, ich habe Euch mit törichten Worten erzürnet.” Er aber sprach: “Das hast du nicht getan, Johannes, du hast dieWahrheit gesprochen, aber mir ist schwerer aufs Herz gefallen, wasmir lange schon darauf liegt, mein Unwert. Nun aber bedenke ich, obdein fröhlicher Mut mir wohl diese Last von der Brust nehmen wird;aber das mag wohl nicht sein; hast du mich nicht gefunden hier imGrünen, in einem lustigen Garten, von der lieben Sonne beschienen,und angesungen von den unschuldigen Vögelein, nachdenklich undbetrübt? Wirst du können, was der Frühling nicht vermag? So du aberKünste gelernt hast, die ich nicht besitze, so wirst du meinSchuldner nicht bleiben, wenn ich gleich selbst ewig Gottes Schuldnerbleibe. Setze dich zu mir und sage mir treulich, wie du zur Armutgekommen bist im Guten, und wie es sich mit dir begeben, bis ich dichgestern an der Eiche gefunden habe im Blobsheimer Wald, und dannsollst du ebenfalls von mir hören, warum ich betrübt bin.” Da ich die große Freundlichkeit meines Herrn aus dieser Redevernommen hatte, faßte ich einen guten Mut, setzte mich zu ihm unterden Baum, und sprach also: “Mein gnädiger Herr und Ritter, es gibtkeinen ehrlicheren Weg ins Leben als die Geburt, denn unser Heilandist ihn auch gewandelt, und so gibt es auch keinen ehrlicheren Wegzur Armut, als in ihr geboren zu sein, denn auch unser Heiland wardin ihr geboren, und so kam ich zur Armut, als ich zur Welt kam. Aberich bin doch nicht lang arm geblieben; denn ich fand eineunaussprechlich liebe Mutter; die ließ mich an ihrem Herzenschlummern, und sah auf mich nieder mit sorgenden Liebesblicken, undweckte sie mich nicht mit ihren Tränlein, die auf mich niederfielen,so weckte sie mich mit Küssen, und ließ mich ihr eignes Leben ausihren Brüsten trinken; o Herr, war ich nicht reich, wer ist reicherals ein neugebornes Kindlein?–Ja, ich war so reich, daß ich meinerlieben Mutter Freud und Leid verdoppeln konnte, was Ihr wohl auseinem Liede vernehmen werdet, das meine Mutter oft sang, wenn siemich in frühster Jugend einschläferte, und habe ich es nach ihremTode in ihrem Gebetbüchlein liegend gefunden; es ist aber gestellt,bald als rede ein Kindlein zur Mutter, bald die Mutter zu ihm; nunhöret: O Mutter, halte dein Kindlein warm,Die Welt ist kalt und helle,Und trag es fromm in deinem ArmAn deines Herzens Schwelle. Leg still es, wo dein Busen bebt,Und, leis herab gebücket,Harr liebvoll, bis es die äuglein hebt,Zum Himmel selig blicket.-Und weck ich dich mit Tränen nicht,So weck ich dich mit Küssen;Aus deinem Aug mein Tag anbricht,Sonn, Mond dir weichen müssen, O du unschuldger Himmel du!Du lachst aus Kindesblicken,O Engelsehen, o selge Ruh,In dich mich zu entzücken! Ich schau zu dir so Tag als Nacht,Muß ewig zu dir schauen,Und wenn mein Himmel träumend lacht,Wächst Hoffnung und Vertrauen. Komm her, komm her, trink meine Brust,Leben von meinem Leben;O, könnt ich alle fromme LustAus meiner Brust dir geben! Nur Lust, nur Lust, und gar kein Weh,Ach, du trinkst auch die Schmerzen;So stärke Gott in HimmelshöhDich Herz aus meinem Herzen! Vater unser, der du im Himmel bist,Unser täglich Brot gib uns heute,Getreuer Gott, Herr Jesus Christ,Tränk uns aus deiner Seite.-Du strahlender Augenhimmel du,Du taust aus Mutteraugen,Ach Herzenspochen, ach Lust, ach Ruh,An deinen Brüsten saugen! Ich schau zu dir so Tag als Nacht,Muß ewig zu dir schauen;Du mußt mir, die mich zur Welt gebracht,Auch nun die Wiege bauen. Um meine Wiege laß Seide nicht,Laß deinen Arm sich schlingen,Und nur deiner milden Augen LichtLaß zu mir niederdringen. Und in deines keuschen Schoßes HutSollst du deine Kindlein schaukeln,Daß deine Kinder, so lieb, so gut,Wie Träume mich umgaukeln. Da träumt mir, wie ich so ganz alleinGewohnt dir unterm Herzen;Da waren die Freuden, die Leiden deinMir Freuden auch und Schmerzen. Und ward dir dein Herz ja allzu groß,Und hattest nicht, wem klagen,Und weintest du still in deinen Schoß,Half ich dein Herz dir tragen. Da rief ich: Komm, lieb Mutter, komm!Kühl dich in Liebeswogen!Da fühltest du dich so still, so frommIn dich hinabgezogen. So mutterselig ganz alleinIn deiner Lust berauschet,Hab ich die klare Seele dein,Du reines Herz, belauschet. Was heilig in dir zu aller Stund,Das bin ich all gewesen;Nun küß mich, süßer Mund, gesund,Weil du an mir genesen. O selig, selig ohne Schuld,Wie konnt ich mit dir beten;O wunderbare Ungeduld,Ans scharfe Licht zu treten! O Mutter, halte dein Kindlein warm,Die Welt ist kalt und helle,Und trag es fromm, bist du zu arm,Hin an des Grabes Schwelle. Leg es in Linnen, die du gewebt,Zu Blumen, die du gepflücket,Stirb mit, daß, wenn es die äuglein hebt,Im Himmel es dich erblicket. So lallt zu dir ein frommes Herz,Und nimmer lernt es sprechen,Blickt ewig zu dir, blickt himmelwärtsUnd will in Freuden brechen. Brichts nicht in Freud, brichts doch in Leid,Bricht es uns allen beiden.Ach, Wiedersehen geht fern und weit,Und nahe geht das Scheiden! Als ich das Lied ganz hergesagt, waren ich und mein Herr Ritter einbißchen stille. Dann hob er an und sprach: “Du hast recht, lieberJohannes, du warst recht reich, eine so liebe Mutter auf Erden zufinden; das ist ein schönes Lied, aber es ist auch viel Trauer darin;wer hat es denn also gesetzet, daß es am Ende so schmerzlich vomScheiden spricht?” Da sagte ich: “Mein Vater hat es gesetzt, als ich noch nicht geborenwar, da er von meiner Mutter scheiden mußte, und hat sie ihn niewiedergesehn, und kenne ich ihn auch nicht.” Da brachen mir dieTränen aus, aber mein gnädiger Herr fuhr mir freundlich mit der Handüber das Haupt und sagte: “Sei wohlgemut! Ich will dein Vater sein,das reicht auf Erden hin, Gott gebs!” Da küßt ich ihm die Hand undfuhr fort: “Ach, Herr Ritter, solcher Reichtum an einer so liebenMutter war noch nicht genug; denn gute Leute nahmen mich auf ihreArme und trugen mich in die Kirche; da ward ich durch die heiligeTaufe aufgenommen unter die Kinder Gottes und ward gereinigt vonaller Sünde und ward teilhaftig der Versühnung unseres Herrn JesuChristi. Da ward ich erst reich über alle Maßen, da hatte ich dasewige Leben und den Schlüssel des Himmels geschenket. Dann aber auchward mir gegeben viele irdische Herrlichkeit, und was zum Leben nötigund lustig ist; denn ich ward gelehret, daß der Glanz der Sonne allmein Gold sei, der Spiegel der Flüsse all mein Silber, die grünenWiesen mit ihren Blumen all meine Teppiche und Tapezereien, derHimmel mit seinen blauen gestirnten Gewölben und der grüne hohe Waldalle meine Gebäude und Hallen; ja endlich bin ich so reich geworden,daß mir die ganze Welt offen stand, und alle guten Menschen meineDiener warden, zu denen ich sprechen durfte: Gib mir dies, gib mirjenes; und hatte ich auch keinen Herrn, als den Herrn aller Herren,den lieben Gott, der mir das Leben zu einem Leben gegeben, und indessen Hände ich es, so der heilige Geist seine Gnade verleiht, undmein Herr Jesus sich meiner erbarmt, ohne große Makel zurückzugebenhoffe, und habe ich mir zum Spruche auf mein Schild erwählt–denn ichbin eines Ritters Sohn–: Der Himmel ist mein Hut,Die Erde ist mein Schuh,Das heilge Kreuz ist mein Schwert,Wer mich sieht, hat mich lieb und wert.” Da lächelte Herr Veltlin und sprach: “Dein Hut ist besser als deineSchuh, die wirst du dir bald ablaufen, aber dein Schwert ist dasmächtigste auf Erden und hat einen guten Waffenschmied gehabt, dubist ein guter Ritter, und deine Fahrt mag friedlich abgehen, denndie dich sehen, haben dich lieb und wert. Aber erzähl mir nun deinHerkommen!” Da zog ich ein Buch aus meinem Buchbeutel und sprach: “Ich will esEuch lesen, denn ich habe angefangen, es mir aufzuschreiben, und zwarso recht ausführlich, wie es mir eingefallen, mit allerlei Rede undBetrachtung; wie mir bewußt ward, daß es gewesen ist und gewesen seinkann.” Da sprach Herr Veltlin: “Du kannst schreiben? Johannes, daskann ich nicht, und bin ich begierig zu hören, ob du auch alles soaufgeschrieben, daß ich es wohl genießen mag; denn da die Schrift alsetwas Künstlicheres und dem Menschen Merkwürdigeres gegeben wird alsgewöhnliche Rede, die schnell dahin fliegt, so soll sie auch desAufbehaltens würdiger dem Menschen dargereicht werden, und alsowohlgesetzt und deutlich sein. Lies nun!” Da hob ich an: Chronikades fahrenden Schülers Johannes Laurenburger, von Polsnich an der Lahn Dieses Buch ist mir wert und lieb;Wer es mir stiehlt, der ist ein Dieb. Ich bin geboren am 20. Mai 1318 zu Polsnich an der Lahn; das ist einHof, der gehört zum Kloster Arnstein, darin ich getauft wurdeJohannes. Meine Mutter selig wohnte in einem kleinen Häuslein vordem Hof, und nannte man sie die schöne Laurenburger Els; mein Vateraber, den ich nie gesehen, war der Ritter von der Laurenburg, die demKloster Arnstein gegenüber an der Lahn liegt. Was es aber für eineBeschaffenheit mit ihm habe, will ich hier niederschreiben, so vielich erfahren, wenn ich zu der Zeit in meinem Leben gelange, da es mirselbst bekannt worden. Das erste, dessen ich mich aus frühster Jugend von meiner Mutterrecht deutlich erinnre, ist, daß sie mich lehrte, mich mit demZeichen des heiligen Kreuzes zu bezeichnen und die Hände zu faltenund das Vaterunser und den englischen Gruß zu beten. Sie sagte mirdie Gebete vor, ich schaute nach ihren Lippen und sprach ihr nach,und ich erinnere mich noch recht sehr deutlich meiner großen Freude,als ich zum ersten Male abends neben ihr an ihrem Betschemel kniete,und diese heiligen Gebete mit ihr fertig und ohne Fehl sprach. Jetztnoch, wenn ich bete, ist es mir oft, als schaute ich nach ihrenLippen und spräche ihr nach. Sie war arm, fromm und arbeitsam, und wenn ich sie gleich später inmancherlei Geschäft gesehen, schwebt mir ihr Bild doch meistensbetend, singend oder spinnend vor Augen. Wenn sie mich manchmalabends schon im Bette entschlafen glaubte, wachte ich noch undhorchte auf das Schnurren ihrer Spindel und ihren rührenden Gesang;denn sie saß spät auf, ihr Brot in Ehren zu verdienen. Der Anblick meiner holdseligen Mutter, wenn sie so bei Lampenscheinvor sich hinsang und spann, rührte mich oft bis zu Tränen; warum, dasweiß der liebe Gott gewiß, zu dem ich wohl zuhörend mit kindischemHerzen für sie gebetet habe. Einmal weiß ich, daß ich gar sehr weinen mußte; als ich sie nachtsbei ihrem Rocken so vor sich hin singen hörte, da fing eineNachtigall vor unserm Fenster auch an zu singen; es war schon sehrspät, und der volle Mond schien klar und hell. Meine Mutter aberhörte nicht auf zu singen, und sang das Vögelein und sie zugleich.Da habe ich zum erstenmal Traurigkeit empfunden und kindische Sorgenum den Ernst des Lebens gehabt, die ich wohl noch fühle, aber nichtauszusprechen vermag; da habe ich mich auch leise im Betteaufgerichtet und meiner Mutter zugehört. Sie sang aber ein Lied, daslautete also: Es sang vor langen JahrenWohl auch die Nachtigall;Das war wohl süßer Schall,Da wir zusammen waren. Ich sing und kann nicht weinenUnd spinne so alleinDen Faden klar und rein,Solang der Mond wird scheinen. Da wir zusammen waren,Da sang die Nachtigall;Nun mahnet mich ihr Schall,Daß du von mir gefahren. So oft der Mond mag scheinen,Gedenk ich dein allein;Mein Herz ist klar und rein,Gott wolle uns vereinen! Seit du von mir gefahren,Singt stets die Nachtigall;Ich denk bei ihrem Schall,Wie wir zusammen waren. Gott wolle uns vereinen,Hier spinn ich so allein;Der Mond scheint klar und rein,Ich sing und möchte weinen! Besonders traurig aber kam es mir vor, daß der Vogel und meine Mutterzugleich sangen und doch nicht recht miteinander, und hätte ichdamals wohl wissen mögen, ob der Vogel auch in seinem Gesange meinerMutter gedachte, und ob er auch lieber geweint als gesungen hätte.Ich fragte darum meine Mutter mit den Worten: “Mutter, was singt denndie Nachtigall dazu?” Da sagte sie: “Die Nachtigall sehnt sich und lobet Gott; also tue ichauch. Aber, Johannes, warum wachst du? Schlafe, du mußt morgen frühheraus und mit mir nach Kloster Arnstein gehn; wenn du nicht schläfst,so nehme ich dich nicht mit.” Da löschte sie die Lampe aus, undtrat vor mein Bettlein und machte mir das Zeichen des Kreuzes aufStirne, Mund und Herz und küßte mich, und da ich fühlte, daß sieweinte, schlang ich meine Arme um ihren Hals und drückte ihr Antlitzfest an das meinige, und da weinten wir beide. Ich fragte sie aber: “O liebe Herzmutter, was weinest du, und warummachst du mir nochmals das Kreuz? Ich habe ja schon gebetet.” “Lieber Johannes”, sprach sie hierauf, “ich mache dir immer das Kreuzund küsse dich, wenn ich schlafen gehe, daß dir Gottes und deinerMutter Segen in der Nacht zugute komme; aber du hast bisher immerschon geschlafen, wenn ich es tat, und wußtest es darum nicht.” Aberwarum sie weine, sagte sie mir damals nicht. Darauf entkleidete siesich und legte sich zu Bette, und betete laut, ich aber sprach ihrnach: Herr Jesus, ich will schlafen gehn,Laß vierzehn Engel bei mir stehn,Zwei zu meiner Rechten,Zwei zu meiner Linken,Zwei zu meinen Häupten,Zwei zu meinen Füßen,Zwei, die mich decken,Zwei, die mich wecken,Zwei, die mich weisenZum himmlischen Paradeise! Worauf wir ruhig einschliefen. Am folgenden Morgen wachte ich früher auf als die Mutter. DieSchwalbe begann zu singen. Ich kleidete mich leise an und trat andas Bett meiner Mutter; die hatte die Hände ruhig gefaltet, und derjunge Tag schien auf ihr Angesicht. Ihr Anblick erfüllte mich mitLiebe und Trauer, denn ich hatte Barbara, die Tochter des Hofmeiers,neulich also mit gefaltenen Händen stille im Sarge liegen sehn, undergriff mich eine so tiefe Angst, daß ich meine Mutter mit ungestümenKüssen erweckte. Sie erwachte in meinen Armen, und als ich ihr dieUrsache meiner Tränen sagte, nahm sie meine Hände von ihrem Hals undfaltete sie, und schloß sie in ihre lieben Hände, und so beteten wirzusammen zu Gott, und dankten ihm, daß er uns diese Nacht erhaltenund uns verliehen habe, diesen Tag zu unserer Besserung anzutreten.Am Schlusse des Gebetes sagte die Mutter: “Du hast gefürchtet, ichsei tot, Johannes; sterben müssen wir alle, halte dich an unsernHerrn Jesum und die himmlische Mutter Maria, die werden dir Vater undMutter sein, besser als dein irdischer Vater und ich, wenn auch ichdich verlassen muß. Und wenn ich einst die Hände so schließe, um zubeten, da ich zur ewigen Ruhe entschlafe, so schließe auch deineHände so in die meinigen und bete mit mir, auf daß uns der Heilandzusammen in die ewige Herrlichkeit seines Angesichts schauen lasse.“-Da wurd ich still und trat an das Fensterlein unsrer Kammer und sahnach dem kommenden Tag. Als sich aber meine Mutter angekleidet hatte,trat sie hinter mich, und hielt mir freundlich die Augen zu, mit denWorten: “Warte ein wenig, liebes Kind, gleich wirst du etwas sehen,das du nie gesehen.” Während sie mir so die Augen zuhielt, fragteich sie: “Liebe Mutter, ist das Gebet dann kräftiger, und gefällt esdem lieben Gott dann besser, wenn man die Hände so zusammen faltet,wie du mit mir getan?”–“Gewiß”, sagte die Mutter, “wenn die, so estun, sich so lieben wie wir, aber den lieben Gott doch noch viel mehrals einander, und wenn in der Kirche alle Leute zusammen beten undder Priester am Altare betet, da ist das Gebet des Priesters die Hand,in die sie alle ihre Hände gefalten haben. Was habe ich dich vonder christlichen Liebe gelehrt?” Da sprach ich: “Du sollst Vater undMutter lieben, auf daß du lang lebest auf Erden; du sollst deinenNächsten lieben wie dich selbst und Gott über alles.”–“Recht”, sagtedie Mutter, “o wie selig wäre die Welt, wenn alle Menschen sovereinet beteten, wie wir es heut tun konnten, und wie es eine frommeGemeinde in der Kirche tut.” Da sagte ich kindisch: “Aber alleMenschen können doch nicht ihre Hände zu zwei Händen zusammenlegen.“–“O gewiß, das können sie”, erwiderte die Mutter, “und das inunsers lieben Erlösers Jesus Christi Hände, der überall und an allenOrten ist, und seine heiligen Hände für uns am Kreuze ausgespannt hat,uns zu erlösen von der Sünde. Denn er hat uns ja das Gebet gelehret,und er ist die Hand, in welche wir unsre Hände legen müssen, sounser Gebet zu Gott dringen soll; denn er selbst hat auf Erden gesagt:“Alle Dinge sind mir übergeben von meinem Vater, und niemanderkennet den Sohn, als nur der Vater, und niemand kennet den Vater,als nur der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren. Kommet her zumir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.”Und der heilige Johannes sagt: “Der Vater hat den Sohn lieb undhat ihm alles in seine Hand gegeben. Wir haben einen Fürsprecherbeim Vater, Jesum Christum, den Gerechten; der ist die Versöhnung fürunsre Sünden, doch nicht allein für die unsrigen, sondern für dieSünden der ganzen Welt. Es ist ein Gott und ein Mittler zwischenGott und den Menschen, der Mensch Jesus Christus, der sich selbst füruns alle zur Erlösung hingegeben hat.” Ach, möchten nur alle ihreHände in des Heilands Hand, in die Gott alles gegeben hat, glaubend,hoffend und liebend legen; dann würden wir alle zusammen schauen indas Angesicht Gottes.” Nach diesen Worten tat die liebe Mutter ihreHände von meinen Augen und sprach: “Gelobet sei Jesus Christus!”, undich erwiderte: “In Ewigkeit, Amen!” und sah mit großer Seligkeit inden Glanz der Morgensonne, die über dem Lahntal hervorstieg. “Ach,Mutter”, rief ich aus, “ist dieses Gottes Angesicht?”–“Nein, meinKind”, erwiderte sie, “das ist nur seine erschaffene Sonne, die erüber uns arme sündige Menschen scheinen läßt; aber denen, die ihnlieben, hat Gott bereitet, was kein Auge gesehn und kein Ohr gehörthat, und was in keines Menschen Herz gekommen ist.” Ich habe aber damals die Sonne zum ersten Male aufgehen sehen, weilich so früh vorher nie aufgestanden. Dieses Morgens und aller meinerMutter Rede und Tun an demselben habe ich bis jetzt gar oft mitgroßem Nutzen gedacht. Nun aber nahm meine Mutter Linnen, das siegewebt, und Garn, das sie gesponnen und gezwirnet, um es in demKloster zu verkaufen. Sie trug es in dem Korbe auf dem Kopfe, und daich sie darum gebeten, gab sie mir einige Stränge des Garns zu tragen,welche ich mit einer großen Liebe zu meiner Mutter sehr sorgfältigbis nach Arnstein getragen habe. Wir kamen daselbst in des AbtesStube, die war mit schönen Bildern ausgemalt; auch handelte der Abtselbst um das Tuch mit der Mutter und war ein heiliger, aber sonstgar freundlicher und lustiger Mann, fragte mich auch, da ich dieschönen Bilder an den Wänden so fleißig betrachtete: “Hans, dirgefällt wohl meine Zelle; hast du auch Lust, ein geistlicherOrdensherr zu werden? Wenn du fromm und fleißig bist, kannst du mitder Zeit diese meine Bilder besitzen und Abt sein, wenn ich in demstillen Konvent unter der Kirche schlafe.” Da erwiderte ich: “Ich hätte wohl Lust dazu, Abt in der schönen Zellezu sein, Hochwürdiger Herr, wenn meine liebe Mutter mit drinnenwohnen wollte.” Da lachte der Abt und sprach: “Lieber Hans, wenn dieschöne Laurenburger Els mit in den Zellen wohnen dürfte, möchte wohldas kleine Klosterpförtlein zu enge werden, so viele sollten denheiligen Orden suchen; aber das geht nicht, denn der Herr spricht,wir sollen das Kreuz auf uns nehmen, alles verlassen und ihmnachfolgen; und doch wohnet eine Mutter mit uns in unsern Zellen, dieist noch viel lieblicher und milder als die deine.” Da sah ich baldden Abt, bald meine Mutter an und konnte seine Rede nicht rechtglauben, sagte auch zuletzt: “Ach, Hochwürdiger Herr, zeiget mir sie!”Da lachte der Abt wieder und sprach: “Mein Hans, zeigen kann mansie nicht, aber wir leben alle in ihrem Schoße, und auch du; es istdie heilige Mutter, die Kirche, welche unser lieber Herr Jesus sichzu einer Braut erkoren; aber das verstehest du noch nicht.” Da sagteich: “Nein!”, und er gab mir drei Bildlein aus seinem Gebetbuch, daswar St. Jörgen Bild, meines Vaters, Ritter Jörgen von der Laurenburg,Patron, St. Elsbethen Bild, meiner Mutter Patronin, und St. Johannsenmit dem gülden Mund Bild, mein Patron, worüber ich große Freudeempfand, und als ich ihm den ärmel küssen wollte, reichte er mir dieHand und sprach: “Johannes, bitte Frau Else, deine Mutter, daß siedich bald herauf zur Schule tut, da sollst du zur Messe dienen lernen,und für jede Messe einen halben Heller von mir erhalten.” Da batdie Mutter den Abt um seinen Segen, und knieten wir beide vor ihm,und er legte seine Hände auf uns und betete. Meine Mutter ließ aber von dem Geld, das er ihr für die Linnengegeben, zurück, eine heilige Messe für ihr Anliegen in Sankt JörgenKapelle zu lesen, und da der Abt fragte: “Laurenburgerin, was istEuer Anliegen?”, traten meiner Mutter die Tränen in die Augen, undsie sprach mit Schämen: “Das stell ich Gott anheim, Hochwürdiger Herr.”Der Abt erwiderte hierauf mit ernster und freundlicher Stimme:“Laurenburgerin, nehmet Euer Geld zurück und wendet es Eurem Kinde zu;ich weiß, Ihr lebet bedrängt, ich will das heilige Meßopfer selbstenfür Euch halten und von ganzem Herzen für Euch beten; aber ergebetEuch auch in den Willen des Herrn, und hanget nicht weltlichem Kummerallzu sehr nach.” Meine Mutter aber wollte das Geld nicht wiedernehmen und sprach: “Der Himmel segne Euch, Hochwürdiger Herr, fürEure Milde, aber ich bedarf des Geldes nicht, welches ich zu heiligemOpfer erarbeitet; tut des edlen Laurenburgers Weib den Schimpf nichtan, als könne sie nicht ein kleines Opfer erarbeiten.” Da sprach derAbt: “So Ihr Euch das zu Herzen nehmet, will ich dafür ein Kerzleinvor St. Jörgen Bild aufstecken lassen. Linnen und Garn gebet untenim Kloster dem Bruder Sulpizius, daß er Chorhemden daraus mache; dennEure Linnen sind gar fein.” Da nahm die Mutter die Linnen, und gabenwir sie unten dem Bruder Schneider; der hielt aber der Mutter denKorb zurück, bis wir aus der Kirche kamen. In der Kirche gingen wir zur Linken in eine Kapelle; da stand auf demAltar St. Jörgen Bild, wie er den Drachen durchbohret; den Altarhaben die Ritter von der Laurenburg gestiftet und viele Gaben zu demKloster getan, haben auch ihr Begräbnis in dieser Kapelle, wie ichnachmals erfahren. Zur Rechten des Altars kniete ich mit meinerMutter nieder, bei einem steinernen Bilde, das in die Wand gemauertwar. Dieses stellte aber einen alten Ritter vor, der hatte einlanges geistliches Gewand an, und legte einem jungen Ritter, der vorihm kniete, die Hände auf das Haupt. Meine Mutter sah oft und mitrecht innerlicher Bewegung nach dem knienden Ritter. Ich betrachteteihn auch, und empfand eine große Freude an ihm, hätte ihm auch gernetwas Liebes getan und setzte ihm drum einen grünen Kranz auf seinsteinern Haupt, den ich mir im Walde geflochten und noch spielend inder Hand trug. Da meine Mutter dies sah, fuhr es wie ein Blitz durchihre Augen, und umarmte sie mich heftig in der Kirche, aber ihreWangen wurden schamrot und ihre Augen voll Tränen; da ließ sie michlos und senkte das Haupt auf den Betstuhl. Ich empfand großeBangigkeit um ihre rührende Gebärde. Da trat ein Ordensbruder ausder Sakristei mit einer schönen bunten Wachskerze; die zündete er ander ewigen Lampe an, nahte dann unserm Betstuhl und reichte siemeiner Mutter und mir zu küssen, und als wir dies getan, steckte ersie auf St. Jörgen Leuchter, der neben St. Jörgen Altar stand undgestaltet war wie eine Lanze, die durch einen Lindwurm gestochen ist.Das war die Opferkerze, die uns der Herr Abt versprochen. Nun klangdas Glöcklein, und der fromme liebreiche Herr trat mit demMinistranten zum Altar und las uns die heilige Messe selbst mitgroßer Andacht. Da sagte mir meine Mutter ins Ohr: “Bete hübschfromm, Johannes, der stehende alte Ritter ist der alte Laurenburger,dein Großvater, bete hübsch für ihn!” Nun hatte ich den Mut nichtmehr, nach dem Bilde zu schauen, und ward mir mein Großvater vondamals an ein gar ernster und sorglicher Gedanke, aber ich habe zumersten Male gebetet mit einer recht innerlichen Herzensangst, wiefrüher nie; warum ich aber so gebetet, kann ich mich nicht mehrdeutlich entsinnen. Da die Messe zu Ende war, fragte ich meine Mutter wieder nach demsteinernen Bilde mit den Worten: “Mutter, was macht denn der alteLaurenburger da?” Aber sie antwortete nicht, und sah mit nassenAugen den knienden Ritter an, dem ich das Kränzlein aufgesetzet. Alsich sie nochmals fragte, sagte sie: “Der alte Laurenburger tut, wasich dir gestern abend tat, da ich dich im Bette mit dem heiligenKreuze bezeichnete.” Da fragte ich sie weiter: “Will denn der alteLaurenburger auch schlafen gehn?” Und sie sprach: “Ja, er willschlafen gehn in die ewige Ruhe.” Ich aber fragte weiter: “Will dennder kniende Ritter auch schlafen gehn?” Da sprach sie: “Ach, Gottgebe ihm ein seliges Erwachen, so er schon schläft!” und ward wiedersehr traurig, und hob mich hinauf an dem Bilde, mit den Worten:“Küsse den Knienden, habe ihn recht lieb, es ist dein guter Vater.”Da küßte ich ihn herzlich und setzte ihm das Kränzlein zurecht aufseinem Haupt, wollte ihn auch nicht lassen. Meine Mutter aberbehielt mich auf dem Arme und trug mich aus der Kirche hinaus, undhätte sie schier auch ihren Korb vergessen, der noch bei dem BruderSulpizius stand. Der aber kam uns nachgelaufen und brachte den Korb;da war ein schönes weißes Klosterbrot drinnen und ein Krüglein vollWeins, das schenkte uns der Herr Abt. Sie dankte und ging ruhig mit mir links dem Walde zu, einen andernWeg, als wir hergekommen waren. Sie hatte den Korb am rechten Armeund trug mich auf dem linken; ich sagte ihr, daß ich nicht müde sei,und es ihr sauer werde, sie solle mich gehen lassen. Aber sie wolltemich nicht loslassen, und ich merkte in ihr eine geheime Lust, michzu tragen, und sie schloß mich manchmal fester mit dem Arme an ihreBrust, so daß ich den Schlag ihres Herzens fühlte. Da ward ich mirso recht lebendig ihrer Liebe bewußt, und genoß ihrer Güte mitkindlicher Freude; denn sie pflegte mich sonst nicht zu tragen, weilsie, wenn gleich groß und schlank, doch durch manche Sorge undNachtwache entkräftet war. Sie war zart und weiß mit langen blondenHaaren, und wie goldne Strahlen waren die Wimpern über ihren reinenblauen Augen, die mich noch immer mit Friede, Liebe und Warnunganblicken. Ja, ihr liebes Angesicht war wie ein durchsichtigesFensterlein ihres Herzens, aus dem ihre Seele mit jeder innernBewegung errötend und erbleichend zum Himmel schaute. Ihr Mund aberwar ruhig und zart geschlossen, und erregte eine züchtige Ehrfurcht.Ich sage dies hier; denn ich werde nimmermehr vergessen, mit welcherLiebe ich damals ihr edles Angesicht betrachtete, und wie gut undholdselig sie aussah, da sie mich so zärtlich durch die freie Luftüber die grüne Wiese hintrug, und meine Härlein und ihre langenblonden Haare in dem Winde durcheinanderflogen, und die Lerche überuns, gegen die Sonne schwebend, lobsang. Da war mir unendlich wohl,und meine Sehnsucht, sie nicht zu ermüden, ward so inbrünstig, daßich glaubend fühlte, ich ermüde sie nicht, und, mit ihren Haarenspielend, zu ihr sagte: “Liebe Mutter, bin ich nicht recht leicht?Mir ist, als träume ich, ich flöge.” Sie aber antwortete nicht, alsmit einem zärtlichen Druck ihres Arms, und ich begann ihr ihre Haarein Zöpfe zu flechten, daß ihr der spielende Wind nicht beschwerlichfallen möge, und sie ließ es mit freundlichem Hinneigen ihres Kopfesgern geschehen. Da ich aber fertig war und sie mich durch den Waldunter den Bäumen hintrug, brach ich einen grünen Eichenzweig ab, wandihn in einen Kranz, und setzte ihn ihr auf das Haupt mit den Worten:“Liebe Mutter, nun bist du geschmückt wie der kniende Ritter in St.Jörgen Kapelle, nun hast du auch ein Kränzlein auf, und wenn er unsnun durch den Wald entgegengeschritten käme, würdet ihr euch beidewohl sehr aneinander erfreuen über die schönen Kränze?” Meine Mutteraber antwortete nicht und ging traurig fort, worüber ich auch betrübtwurde. So zogen wir still und einsam wohl eine Stunde lang durch den dichtenWald, als wären wir die einzigen Menschen auf der Welt, und hättennicht viel Freude. Nun ward es lichter in den Zweigen, und der Waldendete sich gegen den Rand des Berges, der sich in das einsameLahntal senkte; hier küßte mich die Mutter und ließ mich an die Erde.Wir standen aber auf einer grünen Waldwiese, die ein frischer Quellerquickte, der mit Umwegen an dem mannigfaltig unterbrochenen Abhangezu der Lahn hinabeilte. Wo wir standen, war die Gegend sanft undmild, ein großer alter Birnbaum hing schwer voll gelber Birnen, undum ihn her standen mehrere Vogelbeerbäume, die mit ihrenfeuerfarbenen Früchten lustig gegen den dunkeln Wald abstachen;außerdem begrenzten und durchschnitten den Platz mancherleiFruchtsträucher, Haselbüsche, Johannis–und Klosterbeersträucher, undich hatte die Fülle zu brechen und zu genießen. Gegen uns übererschien die Gegend ernster. Das Lahntal schließt, von diesem Punktegesehen, den Spiegel des Flusses mit einer Krümme wie einentiefliegenden See ein, und die Berge lagen, mit dunklem Walde bedeckt,streng und finster um diesen her, als hätten sie tiefsinnigeGedanken über ein Leid, das hier geschehen. Die Mutter stand stilleund schaute ruhig in die Gegend hinein, ich hatte aber den Deckel desKorbes genommen, ihn mit breiten Haselnußblättern bedeckt, undsammelte mit ängstlichem Fleiße die schönsten Brombeeren undHimbeeren, und was sonst an wohlschmeckenden Träublein zu reichlicherLese sich darbot. Zwischen der Arbeit schaute ich oft nach ihr, sahauch mit Freude, wie der Anblick der Gegend ihr Antlitz zu erheiternschien, und als ich meine Ernte ihr darbot, lächelte sie freundlich,strich mir mit der Hand über die Stirne und sagte: “Schönen Dank,Johannes, du bist ein gutes Kind.” Dann führte sie mich rechts dem Dickicht zu, wo wir nach wenigenSchritten vor einer kleinen verlassenen Hütte standen; der Efeu hattefrei die Wände umrankt, und selbst die verschlossene Tür mit seinemGitter umzogen. Die Mutter hob mich an einem alten Wacholderbaum indie Höhe, der neben der Türe stand, und ich mußte ihr aus einem Lochein demselben einen Schlüssel holen, mit welchem sie die Türeaufschloß, nachdem ich ihr geholfen hatte, die Efeuranken behutsam,ohne sie zu zerreißen, von der Türe abzulösen. Nun gingen wir durcheine kleine, gerätlose Küche in eine viereckte Stube. Ich trat mitScheu hinein; denn die wenigen Strahlen, welche durch dieverschlossenen Fensterladen fielen, zeigten mir allerlei große Vögelan den Wänden in unbestimmtem Lichte. Meine Mutter aber stießsogleich einen Fensterladen auf, und da sah man nach der andern Seitedes Lahntals, wo das alte Laurenburger Schloß aus schwarzem Bergwaldhervorragte. An den Wänden der kleinen Stube sah ich aufeingemauerten Hirschgeweihen vielerlei ausgestopfte Vögel befestigt,und besonders eine Reihe alter Falken; außerdem lehnten und hingenmancherlei Jagdgeräte, Armbrust, Speere, Netze u. dgl., in schönerOrdnung um einen einfachen Betschemel, der vor dem holzgeschnitztenheiligen Hubertusbilde stand. Da war St. Hubertus abgebildet, wie ervor einem Hirsche kniet, der ihm mit einem Kreuze zwischen denGeweihen auf der Jagd entgegengetreten, da ihm der Herr sein wildesHerz gerührt. Ich betrachtete alle diese Dinge, die ich früher niegesehen, mit bangem Staunen, während meine Mutter, auf einemhölzernen Stuhle sitzend, still dem Fenster hinaus nach derLaurenburg sah. Alles, was mir seit dem letzten Abend begegnet war,hatte die ruhige Folge der gewohnten Eindrücke in meiner Seeleunterbrochen, und wenn ich jetzt zurückgedenke, möchte ich meinedamalige Empfindung wohl dem Gefühl eines Rades vergleichen, wenn esin der Mühle plötzlich lebendig werden und sehen könnte, wie es sichselbst und alle die andern Räder sich mit ihm herumdrehen, ohne sichdoch gleich vorstellen zu können, was es selbst und die andern Rädereigentlich sollen, und was überhaupt eine Mühle ist. Besonders aberbefremdete es mich, daß meine Mutter mit allem dem Geräte der Hütteganz vertraut war, und in der Hütte tat, als wäre sie immer daringewesen; darum fragte ich sie mit den Worten: “Liebe Mutter, bleibenwir nun hier, ist dies auch unser Häuslein? Dann will ich uns einenkleinen Garten bauen und ein Vogelsteller werden.” Da entgegnete siefreundlich: “Was willst du dann mit den Vöglein anfangen?”, woraufich sagte: “Ich will sie das Vaterunser beten lehren.” Da fragte sie:“Weißt du denn, wo dein Vater ist?” Und ich antwortete: “Im Himmel.”Nun nahm sie mich zu sich, und ich mußte mich zu ihren Füßensetzen, und da erzählte sie mir ohngefähr das, was ich hier weiterniederschreibe. Wenn ich auch gleich jedes ihrer lieben Worte jetzt, da ich erwachsenbin, nicht mehr so recht eigentlich wissen kann, dürfte es doch nichtviel anders gelautet haben; denn ich habe mir alles scharf in dasGedächtnis gefaßt, und es mir oft wieder von ihr erzählen lassen, sodaß wohl eher zu viel als zu wenig hier stehen mag. Sie sprach aber:“Lieber Johannes, du hast mich seit gestern wohl trauriger als jegesehen, denn ich dachte gestern, da die Arbeit vollendet war, schondaran, wie ich heute alle die Wege gehen würde, die du mit mirgegangen bist. Du hast mich auch gestern abend gefragt, warum ichweine, da ich vor deinem Bettlein stand, aber ich habe dir keineAntwort gegeben, sondern nur mit dir gebetet, damit wir ruhigschlafen möchten. Jetzt aber will ich dir vieles erzählen; denn ichglaube, es wird dir frommen, wenn du früh weißt, wie auf Erden vielTraurigkeit ist, und im Himmel allein die Freude, die wir durchunwandelbare Treue und Stärke in dem irdischen Leide allein verdienenkönnen. Du wirst dann deine Sinne immer mehr zu Gott wenden, unddich führen lassen von seinen Engeln auf Erden, dem Glauben an Jesus,der Hoffnung auf Jesus, und der Liebe zu Jesus, deren Gespielen sinddie Einfalt, die Demut, die Unschuld und die Wahrheit. Auch sollstdu nicht traurig sein um des Leides willen, das dich auf Erdentreffen wird, nein, nur um deine und aller Schuld, deren Strafe dasLeid ist. Auch sollst du nicht trauren um deinen Schmerz, sondernallein um die Leiden deines Erlösers am Kreuze, an dem er gestorbenist wie ein unschuldiges Lamm, das dahinnimmt die Schuld der Welt,und zu dieser Versöhnung sollst du dich wenden, und fest an sieglauben und auf sie hoffen, und dich rein erhalten von aller Sünde,damit du deine Seele nicht wieder befleckest, die dein Jesus, deinErlöser, dein Heiland, dein Gott dir mit seinem heiligen Blute reingewaschen hat; dann wird dein Glaube, dein Vertrauen alles Leidüberwachsen, und du wirst dir ein freudiges Herz erkämpfen zu deinemGott, der dich erschaffen hat im Vater, erlöset im Sohn undgeheiliget im Heiligen Geist.” Was mir meine selige Mutter, die schöne Laurenburger Els, in demHäuslein meines seligen Großvaters, des Voglers Kilian, auf derHirzentreu von sich und dem lieben Großvater erzählt hat Diese Berghöhe heißt die Hirzentreu, und dieses Häuslein, worin wirsitzen, gehörte meinem lieben seligen Vater, dem Vogelsteller Kilian,den man weit und breit nur den guten Kilian und den frommenFalkenmeister nannte. Er ist zu Gott gegangen vor zehn Jahren, undliegt begraben auf dem Kirchhofe zu Kloster Arnstein. Er ist geborenzu Kitzing in Franken, und hat sich dies Häuslein hier selbst erbauet,da er als ein Falkenier des Grafen von Nassau meine selige Mutter,eines Jägers zurückgelassene Waise, zu seiner Hausfrau wählte, undsich hier mit ihr niederließ. Es stehet auch draußen im Garten nochder Baum, an welchem mein Vater meine Mutter zum ersten Male gesehen;da rettete er ihr das Leben; denn als mein Vater einen Hirschverfolgte, fand das erzürnte Tier hier meine Mutter, welche als einarmes Mägdlein Kräuter für die Klosterherren in Arnstein sammelte,und faßte der Hirsch in seinem Grimm meine Mutter auf die Geweihe.Mein Vater, der herzulaufend dieses sah, schoß einen Bolz von seinerArmbrust nach dem Hirsch, und traf ihn nicht ohne Gefahr meinerMutter in das rechte Auge, und das verwundete Tier trat ihm,geblendet, nun grade entgegen; da faßte mein Vater einen guten Mut,und riß ihm die halbtote Jungfrau von dem Geweihe, legte sie unterjenen Baum und erquickte sie an dem Bächlein, das hier entspringt.Als sie sich wieder erholt hatte, sahen sie zu ihrer großenVerwunderung, daß der Hirsch neben ihnen im Gebüsche stand, und mitSchmerzen das Haupt bald hin und her schwenkte, bald traurig zur Erdesenkte. Da rührte das niederrinnende Blut meinen guten Vater, ertrat zu dem leidenden Tiere, zog ihm den Bolz aus dem Auge, und wuschihm die Wunde mit Wasser aus, welches alles der Hirsch ruhiggeschehen ließ. Als aber mein Vater die erschreckte Jungfrau nachKloster Arnstein begleitete, lief ihnen der Hirsch durch den ganzenWald nach, was sie beide sehr rührte und ihrem Gespräche eine größereVertraulichkeit gab. Vor Kloster Arnstein reichten sie sich dieHände, und trennten sich mit der gegenseitigem Versicherung,miteinander in christlicher Ehe zu leben. Nun machte sich mein Vater von seinen herrschaftlichen Diensten los,baute mit Erlaubnis der Klosterherren diese Hütte, und führte meineMutter Agnes, als seine liebe Hausfrau, hinein. Der gute Hirsch wardurch die Hülfe, die ihm mein Vater geleistet, so mild und zahmgeworden, daß er ihm immer zur Seite war, wenn er hier an seinerHütte mit der Mutter baute. Mein Vater pflegte dabei immer desHirsches krankes Auge, welches bald ausheilte, aber blind wurde.Hernach, als meine Eltern hier wohnten, hielt sich der Hirsch immerfreundlich zu ihnen, und ich weiß noch recht wohl, daß er, wenn wiraßen, den Kopf hier zum Fenster hereinsteckte, und ich als ein Kindihm Brot gab. Einstens aber hörte mein Vater ihn in der Nacht heftigschreien; da stand er mit der Mutter auf, und sie gingen hinaus, zusehen, was dem guten Tiere fehlte. Er war aber im Kampf mit andernHirschen, welche ihm seines blinden Auges wegen überlegen waren, soheftig verwundet, daß er mit anbrechendem Tage zu den Füßen meinerEltern starb. Wir weinten um ihn, wie um einen treuen und dankbarenFreund, und hat ihn mein Vater unter demselben Baume, wo er ihngeschossen, begraben, sein Geweih aber in den Baum so befestigt, daßes, zu ewigem Gedächtnis in denselben verwachsen, noch zu sehen ist,und hat mein Vater diese Hütte wegen des treuen Hirschen Hirzentreugenannt. Meine gute Mutter ist auch bald gestorben, und ich war noch ein sokleines Mägdelein, daß ich nicht recht wußte, was Sterben ist. Icherinnre mich noch recht wohl, daß ich auf ihrem Bette saß, als siekrank war, und ihr die Fliegen wehrte und ihr alle die kleinen Gebeteund Sprüche, die sie mich gelehrt, vorsagte, und meinem Vater zurHand ging, sie zu pflegen, soviel es ein Kind vermag. Da ich nun oft,wenn meine Mutter Arzneikräuter suchte, mit ihr im Walde gewesen war,und sie mir dabei allerlei Heilkräfte der Pflanzen mitgeteilt hatte,so war meine Seele damals so erfüllt von der Begierde, ihr zu helfen,daß ich einstens in der Nacht vor einbrechendem Tage in den Waldhinauslief, um ihr einige Kräuter zu suchen, von welchen mir geträumthatte. Ich lief lange herum und suchte mit unbeschreiblicher Angstdie Kräuter, welche ich mich vorher gesehen zu haben nicht erinnerte.Schon stand die Sonne hoch am Himmel, und ich war weit von unsrerHütte verirrt, aber ich vergaß, vor Begierde, das Arzneikraut zufinden, meinen Hunger, und als ich endlich in großer Ermüdungniederkniete und mit Tränen zu dem lieben Jesuskinde betete, es mögemir doch das Kraut suchen helfen, ich wolle ihm auch mein Brotschenken, bin ich darüber vor Müdigkeit entschlafen. Nach einigenStunden erwachte ich, und sah eine schöne edle Frau vor mir stehen;ein Diener führte ihr Roß, auf welchem ihr Söhnlein saß, und war sieabgestiegen, als sie mich so allein im wilden Walde liegen sah. Siefragte mich, wer ich sei, und da ich ihr gesagt, ich sei Voglers Elsvon der Hirzentreu, und heute früh ausgegangen, ein Kräutlein für diekranke Mutter zu suchen, küßte sie mich und sagte, daß sie michheimfahren wolle mit sich nach der Laurenburg, denn sie war dieHausfrau des alten Laurenburgers, deine Großmutter; von da wolle siemich über die Lahn nach der Hirzentreu bringen lassen. Sie setztesich nun auf das Roß und nahm mich vor sich auf des Pferdes Hals; ihrSöhnlein aber, Jörg, saß hinter ihr und hatte sie mit den Armenumfaßt. So zogen wir ein Stück Wegs nach dem Lahntal hinab, und hatte ichschier auch alles vergessen; denn das Reiten, die fremde Frau und ihrSöhnlein, das mancherlei kleine Lieder mit ihr sang, beschäftigtenmeine Seele. Aber der Hunger fing mich an zu drücken, und ichbemerkte mit Weinen, daß ich mein Brot nicht mehr in meiner Taschefand. Da fragte mich die Edelfrau: “Els, was weinst du?” und ichsagte ihr: “Ich hungre, denn ich habe dem Jesuskind mein Brot gegeben,und das Kräutlein von ihm erhalten, aber nun habe ich das Kräutleinverloren und hungre”, und dabei verlangte ich heftig, sie möge michin den Wald zurücklassen, das Kräutlein zu suchen. Ich mußte derEdelfrau das Kraut aber beschreiben, denn seinen Namen wußte ichnicht. Da sagte sie auf einmal: “Mein liebes Kind, du hast wohlgeträumt, aber die Barmherzigkeit Gottes ist groß, denn sieh, meinDiener trägt ein solches Kraut in einem feuchten Tuche eingeschlagenin seinem Wadsack auf dem Rücken; dies Kraut aber wächst nicht hierzu Lande, sondern habe ich es im Kloster Arnstein, wo ich zur Beichtewar, von dem Gärtner erhalten, der es von einem Priester aus fremdenLanden jenseits des Meeres hat.” Da mußte der Knecht den Wadsacköffnen, und siehe da, es war dasselbe Kraut darinnen, das ich imTraume gesehen. Meine Freude war unaussprechlich, und die guteEdelfrau befahl dem Knechte, sogleich das Kraut meinem Vater zubringen, und ihm zu erzählen, wie ich es gesucht, und wie mich dieEdelfrau mit nach der Laurenburg genommen. Der Diener kannte meinenVater gar wohl und lief mit Freuden die Waldstege nach unsrer Hüttezu. Nun ritt die Edelfrau mit mir und ihrem Söhnlein allein vollendszur Lahn hinab und an einer seichten Stelle hinüber nach derLaurenburg, wohin der Diener bald auch kam und mich auf dem Kahne zumeinen Eltern hieher zurückbrachte. Die gute Edelfrau hatte mirviele Liebe erwiesen und gab mir noch ein Krüglein mit altem Wein,und einige stärkende Gewürzküchlein für die kranke Mutter mit, undversprach, sie selbst morgen zu besuchen. Ihr Söhnlein aber, dasnicht zugegen war, als ich aus der Laurenburg ging, kam mir bis zumWasser nachgelaufen und gab mir einen ganzen Rosmarienstock, den eraus seinem Gärtlein ausgerissen, und sprach: “Du Kleine, das stell andeiner Mutter Bett, das ist ein guter Ruch, wenn man siech ist.Elslein, komm wieder!” Da gab er mir die Hand, und wir schieden. Als wir auf Hirzentreu ankamen, trug mich mein Vater an der MutterBette; die umarmte mich und sagte: “Els, ich habe den ganzen Tagnicht leben und nicht sterben gekonnt aus Sorge, daß du verlorenseist; Gott aber hat mich wunderbar getröstet durch das, wasgeschehen, und hat mir dein Vater von dem Kraute einen Trank gekocht,der hat mich wunderbar erquicket.” Da gab ich dem Vater denRosmarienstock, der pflanzte ihn in einen schönen neuen Krug nebender Mutter Lagerstätte, und nun nahm der Diener Abschied, nachdem erden Wein und die Würzküchlein dem Vater gegeben. Es war darüber Abend geworden, mein Vater gab der Mutter noch von demWeine und der Würze, und sie fand sich so gestärkt, daß sie dasAbendlied mit dem Vater mit großer Andacht leise mitsang, worüber ichzu ihren Füßen auf ihrem Lager entschlief. Gegen Morgen aber wecktemich der Vater und sagte mir mit Weinen: “Wach auf, lieb Elslein, undschau nach der Mutter, und gib ihr, was sie verlangt; sie ist garkrank, und ich will nach Kloster Arnstein laufen um die letzteheilige Wegzehrung für sie. Halte dich still, so sie schläft, undbete still, und so sie es verlangt, reiche ihr zu trinken, auchschaue nach dem brennenden Kienspan im Kamin, daß kein Unglückentsteht.” Dann trat er zur Mutter, trocknete ihr das Antlitz undsprach: “Gott erhalte dich, liebe Agnes, zu christlichem Geleite, ichgeh nach Kloster Arnstein; O wie ist dir, liebe Agnes?” Da sagte dieMutter: “Ich lege wie ein Kind mein krankes Haupt in den Schoß dessen,der gesagt hat: “Ich will euch trösten, wie einen seine Muttertröstet”, und ich habe das Vertrauen, er wird mich mit vollem Trostevon dir scheiden lassen; so gehe dann hin, und bringe mir den letztenTrost!” Da küßte sie der Vater und ging fort. Ich aber redete leise zu Füßen des Bettes: “Mutter, darf ich zu dirkommen?” Da sagte sie: “Ja, lieb Elslein, doch steh erst auf undbringe mir das kleine Kreuz aus meiner Truhe; mich verlanget sehrdarnach.” Geschwind eilte ich an die Truhe, doch der Deckel war soschwer, daß ich ihn nicht erheben konnte; das klagte ich der Mutter,die sagte: “Elslein, bete! Der dir das Kraut gebracht, das mich soerquickte, wird dir auch helfen, die Truhe zu eröffnen, so du ihmvertrauest.” Da fiel ich vor der Truhe auf die Knie und betete,Jesus möge mir die Truhe eröffnen, und Gott erbarmte sich meiner, ichöffnete die Truhe mit kleiner Mühe und brachte der Mutter das kleineKreuz. Es ist dasselbe, welches noch in Polsnich an meinem Bettehängt, und unsre Truhe zu Haus ist auch dieselbe Truhe. Die Mutternahm das Kreuz in ihre gefalteten Hände und küßte es, und drückte esan ihr Herz, und ich legte mich zu ihr auf das Hauptkissen unddrückte meine Wange an die ihrige. Sie sprach nicht, sie flüstertebetend, und so entschlief ich; bald aber weckten mich laute Worte vonihr, und ich hörte sie sagen: “Hüter, ist die Nacht schier hin? Werda? Gut Freund! Sei getrost! Ich bins! Fürchte dich nicht! Herr,bist du es, so heiße mich zu dir kommen auf dem Wasser!” und nachdiesen Worten bewegte sie sich mühsam im Traume. Ich verstand sienicht, und weckte sie mit Küssen: “Lieb Mutter, was verlangt deinHerz?” Da schlug sie die Augen auf und sagte: “O mein Jesus, ich binnoch nicht bei dir! Elslein, mein Kind, sage, hast du den liebenHeiland gesehn, wo ist er hingegangen?” Ich verstand sie nicht, undsuchte ihr das Kreuzlein in dem Bette, das ihren Händen entfallen war,und legte es ihr wieder in die Hände mit den Worten: “Herzmutter, daist der liebe Heiland.” Da küßte sie das Kreuz wieder, und sagtedann: “Elslein, ich war allein auf einem Kahn auf einem großen Wassereine lange, lange Nacht, kein Stern am Himmel, und sehnte mich nachdem Tage; endlich sah ich ein Sternlein, das zog leise über dasWasser, wie ein Wächter durch die Flur, und da rief ich mit allerMacht: “Hüter, ist die Nacht schier hin?” und der Stern antwortete:“Wenn der Morgen schon kömmt, so wird es doch Nacht sein; wenn duschon fragest, so wirst du doch wieder kommen und wieder fragen.” Dakam es gegen mich über die Wogen geschritten, und ich sah, daß eseine einsame Gestalt war. Da rief ich: “Wer da?” und es antwortete:“Gut Freund!” Ach, da ward mein Herz so freudenvoll, und ichgedachte: Sollte es wohl mein Jesus sein? Da sprach er: “Sei getrost,ich bins, fürchte dich nicht”, und ich sprach: “Herr, bist du es, soheiße mich zu dir kommen auf dem Wasser.” Da winkte er mir, und ichtrat aus dem Kahn auf das Wasser, konnte aber den Herrn nichterreichen, der vor mir herschwebte, wie eine Wolke oder ein Schatten,und wenn ich so recht mutig und begierig auf ihn zuging, und rechtglaubte, daß er es gewiß sei, daß er sich meiner erbarmen werde undeinen Eliaswagen vom Himmel rufen, mich zu sich hineinsetzen und zudem himmlischen Paradiese fahren werde, ach, da war er mir so nah, sonah, daß ich schon das Wehen der Seligkeit fühlte; dann kam aberplötzlich eine Welle und erhob sich ein Wind, und ich verzagte undglaubte zu versinken auf dem Wasser, und wie meine Sorge wuchs,schwand das Bild des Herrn vor mir in die Ferne, ja, es ward wiederzu dem einsamen Stern, den ich zuerst gesehen, und auch derverschwand. Da war ich ganz allein auf dem Wasser, und der Kahntrieb zu mir her, da sah ich dich drauf sitzen und nach mir weinen,und ich wandelte mit Mühe zu dir hin, und saß bei dir im Kahn, undherzte dich, und du entschliefst in meinem Arme. Ich aber wachte,und die Nacht ward wieder so lang, so lang. Da hörte ich denFlügelschlag einer Taube durch die Luft, und ich rief abermals mitgroßer Sehnsucht: “Hüter, ist die Nacht schier hin?” Es flog aberein Täublein über meinem Haupt, das rief zu mir: “Lege Flügel derLiebe an, und folge mir nach, deine Seele findet nicht, da sie ruheauf der Sündflut; sieh, der himmlische Noah strecket seine Hand ausder gestirnten Arche, aus der du ausgeflogen, um dich wiederhineinzunehmen; aber achte, daß dein Gefieder rein sei!” Da sah ichden Himmel voll Sterne; aus dem blickten die Hände, die Füße und dieSeite des Herrn, und die heiligen fünf Wunden leuchteten wie Rubinund bluteten hernieder, und die Taube flog ihnen zu; ich aber hatteFlügel und breitete sie aus und wollte sie schwingen, aber sie warenschwer und unrein; ich rief aber: “O Herr, nur einen Tropfen deinesBlutes auf meine Flügel, und sie werden gereinigt sein.” Und es floßnieder zu ihnen, da waren sie rein, und ich schwang sie freudig, aberdu lagst in meinem Schoß; da wollte ich dich küssen und Abschiednehmen von dir, da schlangst du die Hände um mich und wolltest michnicht lassen, und deine Worte erweckten mich von dem seligen Traume.” So erzählte mir die kranke Mutter, was ihr geträumt, und ich hörteihr mit noch größerer Aufmerksamkeit zu, als wenn sie mir sonst eineGeschichte erzählte. Da sie geendet hatte, sagte ich zu ihr: “Mutter,das war sehr schön, aber schlafe wieder ein, und wenn die Taubewieder kömmt, so bitte sie, daß ich auch mit fliegen darf, ich willauch recht beten; der mir das Kräutlein gegeben, und mir die Truhegeöffnet, der wird mir auch gewiß Flügel geben, daß ich mit dirfliegen kann.”–“Das wird er gewiß, liebes Elslein, so es dir gutist”, sagte die Mutter, “aber wenn ich wieder einschliefe, und dasTäublein käme wieder, und ich flöge mit ihm fort, so würdest du gewißgern zurückbleiben bei deinem Vater, daß er nicht allein sei, so ichdich darum bitten würde.” Da sagte ich zu ihr: “Ja, das will ich, sodu bald wiederkehrst, und mir etwas mitbringest.” Sie aberantwortete: “Ich werde nicht wiederkehren, doch werdet ihr mirnachfolgen, und da wird alles voll Herrlichkeit sein; aber hörst du,Elslein, du mußt mir den Abschied nicht schwer machen, und auch denVater trösten, wenn er weinen sollte, und ihm erzählen, wie ich dirgesagt, daß ihr mir nachkommen werdet; denn das Täublein wird baldkommen, mir ist, als höre ich schon seinen Flügelschlag.” Da küßteich die Mutter und sagte: “Ich will tun, wie du willst, und will deingutes Elslein sein”, und die Mutter küßte mich wieder mit den Worten:“O du gutes, gutes Elslein!” Dann bat sie mich, ihr das Lied von derTaube zu sagen, das sie mich gelehrt; da sprach ich: Hör, liebe Seel! Wer rufet dir?Dein Jesus aus der Höhe:“Komm, meine Taube, komm zu mir!”Den Ruf ich wohl verstehe. Wenn ich soll deine Taube sein,Mußt du mir Flügel geben;Die wasch in deinem Blut ich rein,Und werde glaubend schweben. Du rufest mir! Wie arm ich bin,Darf ich zu dir doch kommen;Die Mängel hat dein treuer SinnJa all von mir genommen. Sag, Herr, wird auch ein Nestlein feinFür mich bei dir gefunden?“Ja, meine Taube, komm herein,Wohn hier in meinen Wunden!” Mein Jesu, ach, was willst du mirIn deinen Wunden geben?“Durch meine Wunden, sag ich dir,Fliegst sterbend du zum Leben.” Wohlan, es zielt des Todes Pfeil,Er wird mich nicht verderben;Zu deinen Wunden, Herr, ich eil,Da werd ichs Leben erben. Da ich der Mutter das Lied hergesagt, war sie leise wiedereingeschlummert. Der Tag brach an, und ich nahm ein Zweiglein vondem Rosmarienstock, der bei ihrem Lager stand, und gab es ihr zu demKreuze in ihre gefaltenen Hände. Da flog auch die Turteltaube,welche bei unserm Haus nistete, an das Fenster und pickte daran undrief: “Ruckuck.” Sie tat es sonst alle Morgen, denn ich streute ihrFutter dahin, aber heute hatte ich nicht den Mut, und gedachte: Ach,da kömmt die Taube schon, welche die Mutter mitnehmen will, aber ichsoll ihr den Abschied nicht schwer machen. So stand ich leise, leisevon der Seite der Mutter auf, und ging hinaus und kniete an demBächlein in das Gras und betete für sie. Da hörte ich ein Glöckleinim Walde und sah bald meinen Vater kommen; der trug eine Leuchte, undzwei Ordensherren gingen mit ihm, deren einer trug das HochwürdigeGut, und der andere das heilige öl, und ihnen folgten einige frommeMänner und Frauen, die stille beteten. Da lief ich meinem Vaterentgegen und sprach: “Herzvater, die Himmelstaube ist schon da,welche die Mutter abholen will; wir dürfen aber nicht gleich mit, ichhabe es ihr versprochen, bei dir zu bleiben und dich zu trösten, biswir nachkommen in die Herrlichkeit.” Mein Vater verstand mich wohlund trat mit dem Geistlichen in die Hütte, ich aber blieb draußen undbetete mit den Begleitern. Hernach kam die Edelfrau von derLaurenburg mit ihrem Söhnlein, dem Junker Jörg, über die Lahn zurHirzentreu, wie sie den Abend vorher mir versprochen, und derselbealte Diener war wieder bei ihr. Die Edelfrau ging zu meiner Mutterhinein, der Junker aber blieb bei mir, und wir spielten im Gras ander Quelle; er fragte mich auch nach dem Rosmarin, den er mir gegebenfür meine Mutter; da erzählte ich ihm von der Taube und von allem.Nach einiger Zeit aber trat die Edelfrau heraus und nahm mich mit indie Hütte, da lag die Mutter ganz still, und der Vater kniete anihrem Bette und weinte; da ich zu ihm trat, hob er mich zur Mutter,und sprach: “Agnes, segne das Elslein, ehe du scheidest”, und erlegte der Mutter Hand auf mein Haupt. Die Mutter aber sagte: “Gottsegne dich, tröste den Vater, bis ihr nachkommet. Elslein, ichfliege schon.” Da sah sie mich mit unaussprechlicher Liebe an undwendete dann den Blick zum Himmel. Ich sprach: “Geleit dich Gott,lieb Mutter!” und weinte laut. Da trug mich die Edelfrau hinaus zuihrem Söhnlein, dem erzählte ich alles, und da ein paar Taubenhinüber zur Laurenburg flogen, streckten wir beide kindisch die Händeaus und riefen: “Da fliegen sie, da fliegen sie, geleit dich Gott,liebe Herzmutter!” Hernach nahm mich die Edelfrau mit nach der Laurenburg, und ich bliebbis zum andern Tag dort, da die Mutter schon im Kloster Arnsteinbegraben war. Der alte Knecht aber war bei meinem Vater geblieben,und war mein Vater einen ganzen Tag in Kloster Arnstein gewesen, desTrostes der geistlichen Herren zu genießen. Die Edelfrau ist auchmit zu Grabe gewesen, und da sie nach der Laurenburg kehrte, brachtesie ihren Herrn, den Ritter von der Laurenburg, und den ältern Sohn,Johann, mit welchem der alte Laurenburger bei dem Grafen zu Nassaugewesen, der des Johann Taufpate war, und hatte die Laurenburgerinihnen auf der Heimkehr begegnet. Der Ritter war mir freundlich undgab mir Wecken von des Grafen von Nassau Tisch, und da seine Hausfrauihm den frommen Tod meiner Mutter erzählet, war er sehr mitleidig mitmeinem Vater, und sprach: “Der Graf Johann hat noch heute zu Tischvon dem frommen Falkenmeister gesprochen, und vor allen seinenDienern sein in Ehren gedacht, ich habe ihm auch versprechen müssen,den Vogler von ihm zu grüßen, und will er ihm nächstens einen krankenFalken schicken, daß er ihn pflege. Komm, Elslein”, sagte der Ritterdann zu mir, “ich will dich selbst zu deinem Vater bringen; es istnoch hoch am Tage, und mag er wohl Trostes bedürfen.” Da brachtemich der Ritter wieder zur Hirzentreu, und ging Georg wieder mit.Die Edelfrau aber blieb mit Johann zurück; der sollte ihr von demWesen des Grafen von Nassau erzählen. Wir fanden aber meinen Vatermit dem Laurenburger Knecht vor der Türe sitzen in stillem Gespräch,und als dieser seinen Herrn herankommen sah, der mich auf dem Arm densteilen Pfad herauf trug, stand er auf und trat beiseite; mein Vateraber lief mir entgegen, nahm mich von des Ritters Armen und herztemich unter Tränen. Da sprach ihm der Laurenburger ehrlich zu undgetröstete ihn, so gut er es vermochte, setzte sich auch zu ihm aufdie Bank und erzählte ihm von des Nassauers Gunsten zu ihm, undsprachen sie mancherlei, nicht als ein Ritter zu einem Knecht,sondern als gute Nachbarn und Freunde, denn das Unglück machetGesellen. Es war aber dem Laurenburger auch seine erste Hausfraumitsamt dem Kindlein in dem Kindelbett gestorben; deren gedachte ermit vieler Liebe. Unter solchem Gespräch stand ich zwischen meinesVaters Knien, und Georg neben dem Laurenburger, und spiegelten uns indessen blankem Brustharnisch, und lachten, weil es, hohl geschliffen,unsre Gesichter auf mancherlei Weise verstellte. Dann sagte mir derVater ins Ohr, ich möge den Wein und die Würze von der MutterTischlein bringen; da ging ich zur Stube, aber die war ganz andersgeworden; wo das Bett gestanden, stand der Betschemel und dasAltärlein, und hing ein neu Muttergottesbild an der Wand, und andemselben der Mutter und des Vaters Brautkränzlein, ihre Spindel aberstand vor meinem Bänklein, und war alles gar verändert. Das hattemeinem Vater der gute alte Laurenburger Knecht so geordnet, daß erseines Leids desto eher vergessen und ein neues Leben anfangen möge. Nachdem ich mich genugsam über alles gewundert, nahm ich den Wein unddie Würze, was von dem Geschenk der Laurenburgerin noch übrig war,und brachte es dem Vater hinaus; der reichte den Krug dem Ritter. Datrank der Herr, und mußte ihm der Vater Bescheid tun. Auch sagte derRitter: “Das ist ein köstlicher Wein, den man wohl dem Kaiser bietendürfte; Ihr habt ihn wohl aus einem Klosterkeller? Einem Edelmannwächst solcher Wein nicht um die Lanze, der schmeckt nach demKrummstab.” Mein Vater lächelte und sagte: “Gnädiger Herr, Ihr habtvon dem Euren getrunken, aber er hat auf einem milden Fasse gelegen;denn Eure liebe Frau Ida hat diesen Trunk meiner seligen Agnes zurLabung gebracht, und wenn er Euch besser schmeckt als zu Haus, soists, weil Ihr Gottes Segen schmecket.” Da trank der Laurenburgernochmals, und sprach: “Wahrhaftig, in Gottes Segen soll man den Weinlegen, in Gottes Segen soll man des Weines pflegen, in Gottes Segengedeiht der Wein auf allen Wegen. Das Faß, aus dem Frau Ida diesenKrug gefüllt, muß mir ebenso gut werden; Ihr müßt mir wohl erlauben,daß ich es mit Euch hier oben austrinke, Kilian, da es mir so wohlbei Euch geschmeckt.” Da dankte mein Vater dem Ritter herzlich, undsprach: “So Ihr einen armen Mann nicht verschmähet, will ich EurenZuspruch hoch in Ehren halten, aber Ihr müßt dann auch von meinerWasserquelle hier trinken, da fließt auch Gottes Segen drin.” Nunschied der Ritter freundlich von uns mit den Seinen, und ich ging mitdem Vater in unser einsames Häuslein, worin die Mutter nicht mehr war.